The Matrix, slow motion and fast forward
In Prüfungsreichen Zeiten fiel es mir besonders stark auf: wie unterschiedlich Zeit wahrgenommen wird. Schon Tage vor der Prüfung begann sich mein Zeitempfinden zu verändern, der Tag hatte plötzlich nicht mehr 24 Stunden sondern höchstens noch 20, und die fehlenden 4 konnte ich auch nicht mit nicht-schlafen kompensieren, sie waren einfach weg. Und ich konnte sehen wie ich trotzdem durchkam. Wenn ich dann die nicht-prüfungsgestressten Menschen um mich rum sah, wie sie ihre Zeit "verblöterlen", dachte ich manchmal, die könnten mir die Hälfte von ihrer "blöterli-Ziit" abgeben, dann hätte ich mehr Zeit zum lernen und schlafen, und die können ja immer noch blöterlen.
Oder die Menschen die auf dem Bahn-Perron wie in Zeitlupe rumschleichen, statt zackig aus dem Zug raus und zum Ziel. Aaaahhhhh haben die nichts anderes zu tun als in slow-motion über ein Perron zu schleichen, allen armen gestressten den Weg versperren, und dann noch ahnungslos-schockiert dreinschauen wenn man sie aus versehen anrempelt? Man kann sie gar nicht nicht-anrempeln, es ist wie wenn man zwei Zeiten parallel laufen lässt, einmal slow motion und einmal fast forward. Während in der richtigen Zeit alles seinen Weg findet (ehrlich! lauft mal zu Stosszeiten in Zürich über den Hauptbahnhof, es kreuzen sich 1000 Leute, aber praktisch niemand läuft in jemand anderen rein! Jeder hat seinen Weg, und das ganze funktioniert solange jeder diesen Weg geht. Bleibt aber jemand abrupt stehen weil er denkt "hier gefällts mir grad!" kommt alles durcheinander. Alle müssen schleunigst einen Ausweichweg finden, der eigentlich gar nicht für sie vorgesehen war. Was in einem Moment noch Teil meines Weges war, ist im nächsten Augenblick bereits Teil des Weges einer anderen Person. Das kann man weder aufhalten noch verhindern, es ist einfach so. Es ist die Matrix!)
Genau so ist das auch wenn ich in meiner fast-forward Zeit dem Perron entlang hetze. ich kollidiere zwangsläufig mit den Slow Motions. Weil unsere Zeitfenster nicht aufeinander passen. Es ist so schon schwierig genug, nicht mit den Slows zu kollidieren, aber wenn sie dann auch noch stehen bleiben, hab ich keine Chance, so schnell noch auszuweichen.
Ich muss aber fairerweise sagen, dass ich die slow-motion-Sichtweise auch kenne. Und auch schon Anrempler verständnislos angeglotzt habe, nachdem sie mich von hinten fast über den Haufen gerannt haben. Wenn das passiert, reagiere ich wie alle Angerempelten: ahnungslos-schockiert-verständnislos. Aber meistens nur für einen Moment. Im nächsten Moment denke ich für mich "hey Anrempler, hier, du kannst gerne 5 Minuten von meiner Zeit haben, ich brauch sie im Moment nicht unbedingt!" Zeit kann man aber leider nicht einfach so verschenken. Wird man nie können. Aber Respekt und Verständnis. Und zwar nicht nur dann, wenn man physisch angerempelt wurde.
PS: kürzlich hat mich jemand an einer Party ziemlich unangenehm gerammt, aber nicht weil er keine Zeit hatte, sondern weil er stockbesoffen war. Ich hab ihm eine Gratis-Mineralwasser-Dusche spendiert. Es hat alles seine Grenzen ...
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