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Freitag, Februar 02, 2007

Wann beugt sich der Stolz dem betäubenden Gefühl von Sicherheit?

Ich wohne jetzt einen Monat lang mit Florina in der WG. Sie wurde in dieser Zeit von einer völlig Fremden zu einer guten Freundin. Wir haben zusammen gelacht, geweint, recht viel Blödsinn gemacht und auch gestritten. Führten ellenlange Diskussionen und manchmal waren wir am Ende sogar ein bisschen schlauer. Sie ist die Person die in allem zuerst das positive sieht, und hat mit ihrem überschäumenden Enthusiasmus schon Kollegen von mir sehr verwirrt.
Aber das was ich an ihr am meisten bewundere ist, dass sie sich nicht prostituiert. Für ihren Traumjob ist ihr keine Hürde zu gross. Sie verdient mit 26, nach einem abgeschlossenen, 6-jährigen Studium weniger als ein KV Stift? Ihr egal. Hauptsache sie kann schreiben. Sie hat kein Auto, keine eigene Wohnung (abgesehen von dieser übergangs-WG) - ihr egal. Sie muss bis mitten in der Nacht ackern, aber statt dass sie sich beklagt kommt sie strahlend heim und platzt fast vor Freude darüber, wie toll ihr Tag war.

Das sind ein bisschen andere Töne, als was ich in letzter Zeit, umfeldbedingt, wieder häufiger höre. In Normalfall hat jeder was zu meckern über seinen Job, und weil man beim motzen immer so schnell in fahrt kommt, bleibt es häufig nicht nur bei einem Negativ-Punkt. Nicht selten frage ich mich, wenn ich die Leute so reden höre "Warum bist Du eigetnlich noch hier!! Wahrscheinlich würde es dir besser gehen, wenn Du als Penner unter einer Brücke hausen würdest." Selbtstverständlich sage ich das nicht. Was widerum ein anderes grosses Problem unserer Gesellschaft darstellt: Zu vielen Dingen machen wir uns unsere Gedanken, aber ausprechen dürfen wir diese ja nicht, denn das könnte schwerwiegende politische Folgen haben. Ironischerweise treten die Dinge, die von den meisten lange totgeschwiegen werden, trotzdem irgendwann ein. Nur, wenn sie endlich an die Oberfläche kommen ist es meistens schon viel zu spät, das Ruder noch rumzureissen. Und dann redet man davon, dass die Kacke so richtig am Dampfen ist. Die schuldigen sind dann meist die, die das drohende Unheil längst gewittert haben, aber sich nicht getraut haben es anzusprechen - oder noch schlimmer - eins auf die Finger gekriegt haben als sie es angesprochen haben.
Das ist eine Haltung, die ich relativ häufig sehe. Wenn ich mir nebendran Florina mit ihrem unbeugsamen Stolz vorstelle, ist das wie Feuer, das auf Wasser trifft. Wird sie auch irgendwann lernen müssen Dinge zu tun die ihr zutiefst widerstreben und diese einfach so hinzunehmen? Wird sie mal eine Familie haben, der zu liebe sie die Variante "Sicherheit" vor "Stolz und Selbstverwirklichung" wählt? Ist es charaktersache, oder fangen wir alle früher oder später an, uns zu prostituieren?

Bei der Beantwortung all dieser Fragen überlege ich mir: Was würde ich denken, wenn ich auf dem Sterbebett liegen würde und auf mein Leben zurückblicke? Auf welche Entscheidungen wäre ich stolz, für welche schäme ich mich gar?

Oft ist die Antwort relativ einfach ...