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Sonntag, Februar 18, 2007

vergeben und vergessen

"Forgive sounds good. forget - I'm not sure I could" Das singen die Dixie Chicks in ihrem Lied "not ready to make nice" und sprechen mir damit aus der Seele. Nach einer Bush-feindlichen Äusserung im Jahr 2003 begann für die Dixie-Chicks ein Spiessrutenlauf. 2006, drei Jahre später, beschäftigt sie das Thema immer noch. Haben sie sich dermassen in die Angelegenheit reingesteigert, dass sie nicht mehr loslassen und weitermachen können?

Nein. Die Äusserung einer persönlichen Meinung hat die drei Sängerinnen viel Lebensqualität einbüssen lassen. Es ging so weit, dass sie Angst haben mussten um ihr Leben. Wie könnte man so etwas jemals vergessen? Auch wenn es nicht grad um Leben und Tod geht, finde ich das Sprichwort "vergeben und vergessen" richtig idiotisch. Würden wir so funktionieren, wären all die Erfahrungen die wir in unserm Leben machen für nichts und wieder nichts. Geht es nicht darum, gewisse Fehler zu machen und daraus Lehren zu ziehen, um eben NICHT wieder in die gleiche Situation zu kommen? Besonders im Zusammenhang mit Menschen die wir nicht besonders mögen ist es doch wichtig, dass wir unser natürliches Warn-System nicht ignorieren. Allerdings führt genau diese Haltung zu Rassismus, und schlussendlich sogar zu Katastrophen wie dem Nahostkonflikt. Wie oft kann man vergeben? Und was passiert, wenn das Mass eines Tages voll ist? Rache. Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Mich beschäftigt das Thema vergeben aber nicht vergessen seit längerem. Wer einmal Unrecht erfahren hat, weiss wie bitter sich das anfühlen kann, auch dann noch wenn der Streit längst Vergangenheit ist. Es zehrt an einem, und man spürt wie man innerlich vergiftet. Diesen Prozess aufzuhalten ist nicht unbedingt einfach. Für mich vielleicht, die nie etwas richtig schlimmes erlebt hat. Wie aber geht jemand damit um, dem z.B. ein Familienmitglied genommen wurde? Dann auf einen Berg klettern, und da oben meditieren bis alles vergeben und vergessen ist - ich kann mir vorstellen dass das dauern könnte. Wenn das Ziel nur noch vergeben heisst, ist der Weg dazu schon wesentlich kürzer, aber manchmal immer noch unendlich lang. Zu lang für ein Leben? Zu lang für mehrere Leben? Dauert doch der Nahostkonflikt schon seit dem 19. Jahrundert an. Wie tief muss der Hass mittlerweile sitzen? Auf der Suche nach einem passenden Foto für diesen Post habe ich unerfreulicherweise einige Fotos von Kriegsbetroffenen gesehen. (Dank sei dem Internet und der fehlenden Zensur). Möglicherweise waren nicht auf allen Bildern Opfer des Nahostkonflikts. Das kommt aber gar nicht drauf an, denn was auf den Gesichtern aller Opfer deutlich zu lesen ist, ist der grenzenlose Schmerz des Verlustes, und die verzweifelte Suche nach einer Antwort auf die Frage "warum?"

Eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Zumindest nicht in diesem Leben. Alles was wir tun können ist Vergeben, damit wir uns wenigstens nicht selber vergiften. Doch auch wenn wir das nächste Mal in einer ähnlichen Situation vorsichtig sind, wir können uns nie ganz vor schlechten Erfahrungen und Verlusten schützen. Manche Menschen werden vom Schicksal mit geradezu sadistischer Grausamkeit heimgesucht. Sie können sich innerlich gar nicht mehr gegen die Verbitterung wehren, denn sie haben im Ringkampf mit dem Schicksal gar nicht erst die Chance, wieder auf die Füsse zu kommen bevor der nächste Schlag kommt. Was macht es dann überhaupt noch für einen Sinn zwischen Vergeben und Vergessen zu unterscheiden?