think twice
Dank der SP-Initiative "Legalisierter Konsum aller Rauschmittel für Erwachsene" hat das Kapitel Drogen wieder einmal Hochkonjunktur. (Originalbegründung SP hier)
Am Mittwoch morgen DAS Thema schlechthin, jetzt finde ich gerade mal noch einen einzigen Zeitungsartikel dazu (here we go). Dass es trotzdem kein kurzfristiger Dezember-Scherz war, beweisen die vielen Diskussionsforen, in denen das Problem von allen Seiten beleuchtet wird. Alle Seiten? Die meisten argumentieren mit mit starken Wörtern wie Finanzen, Fairness (Selbstmordversuche werden ja auch nicht geahndet ...), die Geschichte der Drogen wird erklärt, und der kleinkrieg unter Parteilern fleissig weitergeführt.
Über die Auswirkungen, die Drogen auf die Psyche eines Menschen haben, habe ich nichts gelesen. Ich rede dabei nicht vom kurzfristigen high, sondern von der langfristigen Persönlichkeitsveränderung, die sich im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch vollzieht.
Vor einem Jahr war ich genauso schlau wie alle andern, aber war per Zufall in der Situation dass ich ein Sozialpraktikum absolvieren musste. Um als erfolgsorientierte und zur Maschine werdende BWL-erin nicht zu vergessen, dass auch Randgruppen zu unserer Gesellschaft gehören. Ich entschied mich gegen die gängigen Plätze in Alters- und Behindertenheime, und ging statt dessen in eine Entzugsklinik für Abhängige von harten Drogen.
Die zwei Wochen, die ich dort verbrachte, änderten einige meiner Ansätze und Massstäbe grundlegend.
Ich kam an im Glauben dass ich mit richtigen Junkies zu tun habe. Doch sie sahen aus wie Du und ich. Sie reden (meistens) kein wirres Zeugs, sondern führten Diskussionen wie Du und ich. Sie redeten über ihre Probleme, standen zu ihrer Suche, machten klar dass sie jetzt auf dem Weg der Besserung seien. Na wunderbar, dachte ich nach den ersten paar Tagen, Problem gelöst!
Etwas sauer aufgestossen dabei sind mir die Pfleger. Sie wirkten abgeklärt, wenig beeindruckt vom offensichtlichen Enthusiasmus der Patienten, ihre Sucht zu besiegen. Ich dachte, wenn diese Leute schon bereit sind, an sich zu arbeiten, sollten sich doch mit allem möglichen unterstütz werden? Und Optimismus und Motivation von aussen kostet nicht mal was!
Nach ca. 3 Tagen landete ich hart auf dem Boden der Realität. Die meisten der Patienten waren zum x-ten Mal in der Klinik. Sie hatten zuvor schon unzählige Entzüge abgebrochen, und sind wieder in die alten Muster geflüchtet. Hatten dabei im Laufe der Zeit Karriere, Familie, ihr ganzes Leben aufgegeben. Hatten sich kurzfristig und plötzlich von den liebsten Menschen in wahre Bestien verwandelt, gestohlen, gelogen, gelitten. Sich selbst das Maximum an Schmerz zugefügt, alles, um für einen Moment lang in eine Welt abzutauchen, die noch heil ist. Aus langeweile, aus Angst, aus Experimentierfreudigkeit.
Einige der Patienten erzählten mir, dass sie nicht wirklich süchtig seien. "Allen gemeinsam ist die Verleugnung ihrer Abhängigkeit vor sich selbst und vor andern." (Wiki hat einige interessante Artikel zum Thema)
Der Wille ist stark, das Fleisch ist schwach ... Bei Drogenabhängigen funktioniert der Kopf meistens noch ziemlich gut, aber in den entscheidenden Momenten übernimmt der Körper das Kommando. Und er spricht eine ganz klare Sprache: Ich.will.Drogen.JETZT. Dumm, wenn man grad kein Geld dabei hat, um sich welche zu kaufen. Blöd, dass einem die Drogen niemand freiwillig gratis gibt.
Doch getrieben vom Verlangen lassen sich fast alle dieser Probleme relativ einfach lösen.
Was aber gar keine Bedeutung hat in diesem entscheidenden Moment ist, dass zu Hause die Tochter auf ihr Mittagessen wartet. Dass man den Menschen um einen herum versprochen hat, in Zukunft keine Drogen mehr anzurühren. Dass man in dem Moment bereit ist, sich selbst und alle um einen herum zu betrügen. Zum x-ten Mal. Und nur noch dieses eine Mal ...
Ich hab ich Australien mal einen Joint geraucht (was mich fast umgebracht hätte, dieses elende Kratzen im Hals!) und wenig später ein Hash-Cookie gegessen. Zweiteres war ein Volltreffer, und hat mich während einer riesen Party in andere Sphären katapultiert. Ich sass auf meinem Stühlchen im Getümmel, und war mit meinen Gedanken Lichtjahre entfernt, auf dem allerbesten und friedlichsten Trip ever. (nicht schwierig, war ja auch mein Einziger ...). im Nachhinein denke ich zwar immer noch äusserst positiv an dieses Erlebnis zurück, würde aber nie im Leben mehr so ein Keks essen, weil ich ziemlich schockiert wie wenig (bzw. gar keine) Kontrolle ich mehr über mich hatte. Und auch weil ich sah was Leute unter Drogeneinfluss für Mist machen, und sich nachher im nüchternen Zustand nur noch zu Tode schämen dafür.
Nur, was man seinem eigenen Ruf antut, ist das eine. Das ist ja auch der Punkt der SP. Aber wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt, ist man auch verantwortlich für den Ruf von Freunden, Familien, Arbeitgeber, etc. Und nichts, aber auch gar nichts ist es wert, dieses soziale Umfeld so zu enttäuschen, wie es im Umgang mit Drogen so oft passiert.
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