Inkognito unterwegs
An Weihnachten mache ich grundsätzlich keine Pläne. Ich nehme mir rein gar nichts vor, mit der Absicht dass ich so massenhaft Zeit habe, meinen spontanen Einfällen und Ideen nachzugehen.
Jedes Jahr funktioniert das nicht und ich werde eingespannt für Pläne aller andern. Gestern war das zuerst mal das Abholen meiner Grosseltern vom Flughafen. Die beiden waren abenteuerlich genug, am Weihnachtstag erst aus 3 Wochen Ferien zurückzukehren. Sie nahmen den Nachtflug von Dubai, und waren dementsprechend müde. Zusammen mit ein bisschen Alkohol gaben sie ziemlich bald ein höchst amüsantes Paar ab.
Nachdem die Grosseltern also wieder zu Hause war, wollte ich mich schon voller Freude hinter mein Buch klemmen, als ich dazu verdonnert wurde, den Guetzli-Teller zu gestalten. Ich verzog mich ohne Murren in den Keller, und kam nicht so bald, aber sehr, sehr gut gelaunt wieder zurück. Meine Schwester vermutete, meine gute Laune hange mit den Guetzli's zusammen, und verdächtigte mich frecherweise der Völlerei. Selbstverständlich lag sie völlig daneben, denn wenn Guetzli einmal gebacken sind, interessieren sie mich überhaupt nicht mehr. ABER: Im Keller meiner Grosseltern, gleich über den Dosen mit den Guetzli's, befindet sich die best-sortierteste Hausbar die ich jemals gesehen habe. Wer interessiert sich da noch für Guetzli, ha!
Schlussendlich habe ich vielleicht 2 Sätze meines Buches gelesen, mehr nicht. Aber beklagen kann ich mich nicht, ich hab dafür rausgefunden dass ich zusammen mit meiner Tante in der Küche wunderbar harmoniere. Sie ist genauso chaotisch, unorganisiert und dafür experimentierfreudig wie ich. Wenn ich hingegen mit meiner Schwester in der Küche bin, regt sie sich nach spätestens 0.5 Sekunden über mich auf und jagt mich rum. In der Zeit, in der sie 4 Vorspeisen erstellt, habe ich gerade mal das Salz gefunden. Auf andern Ebenen harmonieren wir deutlich besser ...
Heute gehts weiter mit der Feierei, aber ich habe mich versteckt, um ein bisschen me-time zu ergattern und das hier zu schreiben.
Denn gerade ist etwas passiert, das mich doch zum Nachdenken anregt ...
Ich habe die Aufgabe übernommen, meine zweite Grossmutter abzuholen. Die, die meinen Namen manchmal vergisst, aber NIEMALS dass ich die Bankerin bin.
Sie war heute enorm fit, ich konnte kaum glauben was ich sah. Psychisch und auch physisch. Sie weigerte sich, den Lift zu betreten und bestand auf das Treppenhaus. Mir war's hinten und vorne nicht wohl, aber sie setzte sich durch.
Als wir dann im Auto sassen, fing sie plötzlich an, ich müsse ihr mal aufschreiben was ich beruflich mache. Das überraschte mich doch sehr ...
Erstaunt sagte ich ihr, dass ich doch die Bankerin sei. Sie fiel mir ins Wort und sagte: neeeeein, Vanessa ist die Bankerin!
Ist es nicht erstaulich wie unsere Gehirne funktionieren? Wie gewisse Informationen ihren Weg ganz tief ins Gedächtnis finden, wo andere niemals hinkommen. Wie sich manche Dinge über Jahre, vielleicht über ein ganzes Leben festsetzen, während wir andere schon wieder vergessen haben bevor wir zu Ende gehört, gedacht und gesehen haben? Ich kann den Tag, an dem das Gehirn entschüsselt ist, einerseits kaum abwarten. Andererseits glaube und hoffe ich nicht, dass er überhaupt jemals kommen wird. Denn dann gäbe es praktisch keine Überraschungen mehr. Alles wäre berechenbar, und die Menschen der uneingeschränkten Manipulation ausgeliefert. Wir könnten nicht mehr an Dinge erinnert werden, die wir selbst längst vergessen haben, und wir könnten andere nicht mehr daran erinnern. Wir wüssten über das Denken der andern Bescheid, und würden nicht mehr über Gedankensprünge schmunzeln oder staunen. Die Faszination Mensch wäre keine mehr!
Merry X-mas to everybody
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