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Donnerstag, Jänner 17, 2008

Not over when it's over

Kaum hatte ich mein stärkendes Tomaten-Mozzarella Sandwich verdrückt, bekam ich gründliche Bauchkrämpfe. Nach 2 Wochen quasi nur Schonkost in Asien hatte mein Magen gar keine Freude an fettigem Mozzarella-Käse und Weissbrot. Dann sollte ich meinen Pass noch 3000mal zeigen, was ich nicht verstand und äusserst lästig fand. Nein ich habe seit dem letzten Vorzeigen meines Passes 10m weiter vorne NICHT meine Identität gewechselt! Ah, alles Wichtigtuer.

Sowieso sind die Staatsangestellten dort kein Vergnügen, das ist mir ja schon in Vietnam aufgefallen. Alles Männer, und der Ausdruck chauvinistisch ist noch dreimal zu schwach um ihr Auftreten zu beschreiben. Verdammte Arschlöcher passt besser. Sitzen da in ihren easy Jobs, verdienen ihr Geld auf einfachste Art und Weise, sind korrupt bis ans Ende der Welt, und geben den Touristen das Gefühl, der letzte Dreck zu sein. Fine, der Umgangston in Asien IST anders als bei uns in Europa, aber wenn ein Land sich für den Tourismus entscheidet müssen gewisse Anpassungen im sozialen Umgang mit den Touristen gemacht werden. Vorzugsweise werden diese Anpassungen auch im Umgang mit den eigenen Landsleuten übernommen, aber das ist wohl momentan noch zu viel verlangt ... Nun gut, steter Tropfen höhlt den Stein, und so behielt wenigstens ich mein freundliches Lächeln als ich von einem hässlichen Lackaffen barsch aufgefordert wurde, meinen Pass zum vierten Mal zu zeigen. Obwohl ich wegen seines forschen Tones eigentlich sofort kochte. Ich bin doch keine Strafgefangene, verdammt noch mal! Als er mich dann aber auch noch anherrschte, in die Kamera zu blicken, platzte mir doch ein bisschen der Kragen. Ich tat wie gehiessen, streckte aber die Zunge heraus als er abdrückte, und fragte mit dem himmlischsten Lächeln "like this?". Wieder ein Blick, der mich fast grilliert hätte und der mich dazu veranlasste, mich flugs zu verabschieden.

Im Flugzeug sass ich neben einem frisch verheirateten Pärchen, Lena und Bert. Sie Cambodianerin, er Holländer. Nach der Hochzeit in Cambodia auf dem Weg in die neue Heimat, Holland. Ein steinerner Weg, vor allem für sie ... Wir kamen schnell ins Gespräch, und die beiden beantworteten mir die Fragen, die sich mir in den letzten paar Tagen mehr und mehr aufgedrängt hatten. Man bezahlt als Tourist einiges an Steuern. Da Departure Tax, dort Government Tax, und so weiter.
Ich fragte mich je länger je mehr, wohin das Geld fliesst, und stellte eine einfache Rechnung auf.

Kambodscha hat ungefähr 14 Millionen Einwohner, und erzielte 2007 ein Einkommen von etwa 8.25 Milliarden US-$. Das ergibt pro Einwohner ungefähr 571 US-$. Nun weiss ich aber von Kambodschanern, dass der durchschnittliche Jahreslohn ca. 300 US$ beträgt. Bei 14Millionen Einwohnern ergäbe das ein BIP von 4.2 Milliarden. Was passiert mit den "restlichen" 4 Milliarden? In Cambodia gibt es keine Krankenkassen, oder staatlichen Vorsorgen. Keine Versicherungen, keine Banken. Wer bräuchte das schon?! Wenig Unterstützung erhalten Spitäler und Schulen, und Altersheime gibt es nicht, weil die wenigen wirklich alten Menschen von ihren Familien gepflegt werden.
Ein Grossteil der 4 übrigen Milliarden wird aufgeteilt unter denen, die die Korruption anführen. Und dazu gehören oben genannte verdammten Arschlöcher, wobei diese auch nur ganz unten in der Nahrungskette stehen. Allerdings könnten sie zu einer Veränderung im System weit mehr beitragen als ein Reisbauern abseits dieser Welt.

Das Pärchen liess sich auch auf ein Gespräch über die Rote Khmer und Pol Pot (Khmer ist seit tausenden von Jahren die offizielle Bezeichnung für Kambodschaner, und hat rein und gar nichts mit der terroristischen roten Khmer zu tun. Dank ihnen ist Khmer nun aber so gut wie ein Schimpfwort, und die Menschen beginnen, sich selbst als "Cambodian" zu bezeichnen. Pol Pot ist die Abkürzung für Politique Potential, sein richtiger Name war Saloth Sar) ein, was für die beiden hätte lebensgefährlich werden könnte, wenn die falschen Leute mithören.

Dass das Regime der roten Khmer abgesetzt ist, ist Schmarrn. Zwar hat Cambodia einen König, der aber überhaupt nichts zu sagen hatt. Ministerpräsident ist ein ehemaliger Offizier unter Pol Pot, der nicht nur gefährlich, sondern auch noch verdammt schlau ist. So schlau, dass man ihm nichts nachweisen kann, was ihm die Rolle als Ministerpräsident verunmöglichen würde. Er wird von der Welt als Präsident akzeptiert, weil er das Land unter Kontrolle hat. Kunststück, als Inbegriff der Korruption und Skrupellosigkeit.
Telefongespräche werden mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit abgehört, sowie e-mails und ab und zu auch Postsendungen abgefangen und gelesen. Das Land als Cambodschaner (bzw. als Khmer) zu verlassen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Sie lassen einen nur raus, wenn man sich an das Land bindet, z.B. mit einem Hauskauf oder einem grossen Darlehen.
Sämtliche Gelegenheiten, die Leute zu erpressen, werden vom Staat mit Begeisterung ergriffen. Die Methoden sind Mafia-gleich, und es wird immer die Sicherheit der Leute ins Zentrum gestellt. So wurde das junge Pärchen einmal bei einem nächtlichen Ausflug auf dem Motorscooter von einer Polizei Eskorte angehalten, und fand sich in der Mitte von ca. 20 auf sie gerichteten Maschinengewehren wieder. Die Polizisten geleiteten sie ins Revier, wo der Polizeipräsident im Pyjama fern sah. Desinteressiert blätterte er durch ihre Papiere, und erklärte ihnen, man hätte sich um ihre Sicherheit gesorgt ... Nach Bezahlung von 20 US$ liess man sie dann wieder gehen. Die ganze Geschichte, wie sie sich kennenlernten und bis zum jetztigen Zeitpunkt ist quasi filmreif. Ich lachte abwechslungsweise Tränen und war tieftraurig, dann vergass ich wieder fast zu atmen vor Ungläubigkeit. Doch vor allem wuchs mein Entsetzen während sie erzählten. Nichts von dem was sie sagten, war mir neu. Die genau gleichen Geschichten hatte ich in meinem Buch gelesen, The girl in the picture. Doch bisher hatte ich geglaubt, Korruption und Unfairness, Enteignung und Ausbeutung gehören selbst in diesen Ländern zu einem grossen Grade der Vergangenheit an. Und nun wurde mir schmerzlich bewusst, dass das, was ich versucht hatte als scheussliches aber abgeschlossenes Kapitel einer Geschichte anzusehen, keineswegs abgeschlossen ist.

Rose Kennedy hat einmal gesagt "It has been said 'time heals all wounds'. I do not agree. The wounds remain. In time, the mind, protecting its sanity, covers them with scar tissue and the pain lessens. But it is never gone".
Das Zitat passt perfekt auf Cambodia. Die Menschen sind glücklich, und haben gelernt, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Ihr Lächeln ist echt. Doch die Narben in ihren Seelen bleiben bestehen.

Ich werde mindestens ein weiteres Mal nach Cambodia reisen. Allerdings nur noch auf eine geführte Tour, alles andere macht Momentan noch wenig Sinn, denn es ist und bleibt vorerst hardcore travelling.
Dann vorallem aufs Land, in den Jungel und ans Meer. Der einzige Grund, vor Cambodia als Ferienziel Angst zu haben, sind die Landminen, aber die Locals kennen sich damit relativ gut aus. Ansonsten ist man als westliche Touristin relativ sicher - lebend sind wir mehr wert als tot.